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Polyfoto


Serienporträts in Deutschland - ca. 1935 bis 1970
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Die Polyfoto-Technik wurde in den 1930er-Jahren von Kodak in Großbritannien eingeführt und fand schnell auch in Deutschland weite Verbreitung. Sie ermöglichte die Aufnahme kleinformatiger Serienporträts auf einer einzigen Glasplatte .

Ursprünglich war vorgesehen, dass Kunden eines der Bilder auswählen und vergrößern lassen . In der Praxis jedoch erfreuten sich auch die kleinformatigen Aufnahmen großer Beliebtheit. Sie wurden ausgeschnitten, verschenkt oder aufbewahrt – nicht nur als Passfoto für Personaldokumente, sondern auch als persönliches Geschenk, für das Familienalbum, als sogenanntes „Kussbild“ für die Brieftasche bei räumlicher Trennung oder als Erinnerung an gemeinsame Zeiten.

     
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Das Verfahren selbst war einfach und effizient : Der Fotograf betätigte einen Kurbelgriff, der den Plattenhalter automatisch schrittweise weiterbewegte, sodass nacheinander Variationen eines Motivs aufgenommen wurden. Das Ergebnis für den Kunden war ein Kontaktbogen mit bis zu 48 durchnummerierten Porträts, aus denen das bevorzugte Bild zur Vergrößerung ausgewählt werden konnte.


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Polyfotos wurden – wie in einer Anzeige im Karlsruher Tagblatt vom 7. Juni 1936 beworben – mit dem Versprechen angeboten, dass man sich während der Aufnahme frei bewegen könne, was besonders gelungene Porträts ermöglichen sollte . Die daraus resultierende Serie bot eine große Auswahl an Gesichtsausdrücken und Perspektiven.


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Ironisch berichtet der Reporter der Kölnischen Zeitung am 25. November 1934, was er auf Berlins Kurfürstendamm beobachtete:

„Ich kann mir vorstellen, dass Herrin und Hündchen zu ‚Polyfoto‘ gehen, wo sie 48 lustige Aufnahmen machen lassen können. Einmal rechtsrum im Profil, einmal sitzt Fifi der Herrin auf dem Schoß, oder der Blick in den Polyfotoapparat enthüllt ein zartes Stumpfnäschen, das dann, weil es besonders gut gelungen ist, vergrößert und als sinniges Geschenk verwandt wird.“


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Oft wurden mehrere Personen gemeinsam aufgenommen – vermutlich posierten sie auf Anregung des Kamera-Operators, der die Kunden während der Aufnahme begleitete.

Diese neuartige Technik wirkte auf viele verblüffend und weckte Neugier. Sie hatte vermutlich auch einen gewissen Unterhaltungswert. Dennoch ist bei den erhaltenen Serien zu erkennen, dass es manchen schwerfiel, sich völlig frei und ungezwungen zu zeigen – möglicherweise, weil trotz der technischen Raffinesse doch ein Fotograf anwesend war oder die Auftraggeber die neuen Möglichkeiten noch nicht ganz erfassten.


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Typisch war: Als erste Aufnahme wurde die Auftragsnummer festgehalten. Auf der Rückseite waren die Fotos durchnummeriert, um eine Nachbestellung zu erleichtern.


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Die Polyfoto-Studios waren in Deutschland von den 1930er- bis in die frühen 1970er- Jahre aktiv. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Porträtaufnahmen, die Einblicke in den Alltag während des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit in Ost- und Westdeutschland bieten.

Viele Bilder wirken zunächst unauffällig und genormt, doch bei genauer Betrachtung zeigen sie Hinweise auf gesellschaftliche Entwicklungen, zeittypische Haltungen und die porträtierten Personen – auch wenn die Identität oft nicht mehr bekannt ist und lediglich das Fotostudio anhand eines Stempels auf der Rückseite bestimmt werden kann.

Besonders prägnant ist die Präsenz militärischer Uniformen in den 1930er- und 1940er-Jahren unter dem NS-Regime, die sich in diesen privaten, oft ungezwungenen Aufnahmen widerspiegelt und Teil des Alltagsbildes wurde.


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In der Nachkriegszeit – sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik – spiegeln die Porträts nicht nur den Wandel im Geschmack, sondern auch den wachsenden Optimismus der 1950er-Jahre wider.

Erst bei genauer Betrachtung entfalten die Bilder ihre ganze Tiefe und zeigen Facetten der Alltagskultur jener Zeit, oft mehr durch das Zwischen-den-Zeilen-Lesen als durch das Offensichtliche.

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Mit dem Aufkommen automatischer Passbildautomaten ab Ende der 1950er-Jahre verlor die Polyfoto-Technik zunehmend an Bedeutung und wurde bis in die frühen 1970er-Jahre nur noch vereinzelt verwendet.


Mehr Bildbeispiele gibt es in diesem Magazin als PDF:
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https://www.reinhard-krause.de/polyfoto.pdf

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Text: Reinhard Krause
    Bilder: Sammlung Reinhard Krause