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Schnellfotografie am Drachenfels


Ein Geschäftsmodel


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Der Drachenfels
, im Siebengebirge, bekannt durch die Siegfried-Sage und die Ruine der Drachenfelsburg,  zählt zu den bekanntesten Ausflugszielen am Mittelrhein. Besonders die Aussicht auf das Rheintal und die landschaftliche Schönheit der Umgebung lockten schon früh Besucher an. Doch eine weniger bekannte, aber nicht weniger faszinierende Geschichte des Drachenfels ist die der Schnellfotografie, die seit den späten 1800er Jahren einen wichtigen Bestandteil der touristischen Kultur darstellte.


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Die Anfänge der Schnellfotografie
Die Geschichte der Schnellfotografie am Drachenfels begann 1881, als der Fotograf Eduard Fischer ein mobiles Atelier auf dem Gipfel errichtete. Fischer erkannte früh das Potenzial, Touristen vor der imposanten Kulisse der Drachenfelsruine zu fotografieren. Dies traf den Nerv der Zeit: Der aufkommende Massentourismus brauchte neue Angebote und Souvenirs. So etablierte sich die Schnellfotografie als ein florierendes Geschäftsmodell, das den Besuchern nicht nur eine schnelle Erinnerung an ihren Ausflug verschaffte, sondern auch eine einzigartige Möglichkeit bot, sich selbst humorvoll und kreativ zu inszenieren.
In den 1930er Jahren hatten sich zahlreiche Fotobuden auf dem Berg angesiedelt. Jede Fotobude war mit eigenen, oft fantasievollen Kulissen ausgestattet, die den Touristen die Möglichkeit boten, sich in ungewöhnliche Szenarien zu begeben. Diese Fotobuden waren ein Paradebeispiel für die kommerzielle Nutzung der Fotografie im Rahmen des Freizeitmarktes und spiegeln den Geschmack der damaligen Zeit wider.




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Die Technik der Schnellfotografie
Die ursprüngliche Technik, die bei der Schnellfotografie verwendet wurde, war die Ferrotypie. Dabei wurde das Bild direkt auf eine lackierte Eisenplatte belichtet. Diese Methode war ideal, um schnelle und kostengünstige Fotos zu erzeugen, die den Ansprüchen des Massentourismus gerecht wurden. Die Platten waren robust und wurden sofort hinter Glas gerahmt, sodass die Touristen ihr Erinnerungsstück direkt mitnehmen konnten.


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Mit der Zeit setzte sich jedoch das Verfahren der Papierabzüge im Postkartenformat durch. Diese kleinen Abzüge, die etwa 9 × 14 cm groß waren, waren praktischer und ließen sich einfacher handhaben und versenden. Die Postkarten fanden ihren Weg in die Familienalben oder wurden als Souvenirs an Freunde und Verwandte verschickt. Ihre Popularität blieb über viele Jahrzehnte hinweg ungebrochen – auch heute noch finden sich solche Abzüge in zahlreichen Familienfotoalben.


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Die Motive
Eine beliebte Methode, den Drachenfels zu erklimmen, war einst der Ritt auf einem Esel. Frühe Fotografien zeigen Besucher auf dem Weg nach oben, später wurden Bilder vor gemalten Kulissen aufgenommen. Da das Fotografieren mit einem lebenden Esel unvorhersehbar war, wurden bald künstliche Esel verwendet, auf denen die Besucher nach Belieben posieren konnten.

Im Laufe der Zeit passten sich die Motive dem jeweiligen Zeitgeschmack an: Kulissen mit Automobilen kamen ebenso zum Einsatz wie humorvolle Scherzbilder. Diese Form der Touristenfotografie – Besucher an Ausflugszielen abzulichten und ihnen die Bilder direkt zu verkaufen – war nicht nur am Drachenfels verbreitet, sondern fand sich auch an zahlreichen anderen Orten. In Freizeitparks oder an touristischen Hotspots wird sie bis heute praktiziert.

Ähnliche Inszenierungen fanden sich auch an anderen Orten: So waren etwa Aufnahmen von Soldaten vor Flugzeugkulissen an militärischen Standorten sehr beliebt. Diese Art der inszenierten „Flug“-Fotografie wurde schließlich zum Markenzeichen der Schnellfotografie am Drachenfels: Fantasievolle Bilder von imaginären Rundflügen – sei es im Doppeldecker, in der Wellblech-Junkers, im Düsenjet oder sogar im Hubschrauber.


Die Familie Kern und die kreative Inszenierung

Ein zentraler Akteur in der Geschichte der Schnellfotografie am Drachenfels war die Familie Kern. Der Unternehmer Johannes Oster, ein ursprünglich als Schneider tätiger Mann, gründete um 1900 das Familienunternehmen, das sich schnell zu einem führenden Anbieter von Schnellfotografie auf dem Drachenfels entwickelte. Osters Schwiegersohn, Hans Kern, und später auch dessen Sohn Richard Kern, führten das Geschäft weiter und setzten kreative Akzente in der Inszenierung der Fotos.


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Richard Kern war besonders bekannt für seine innovativen Kulissen, die er regelmäßig veränderte, um den Touristen stets neue und aufregende Motive zu bieten. Besonders bemerkenswert waren die
speziellen Kulissen - besonders mit Flugzeugen - die er je nach Saison veränderte, um die Besucher immer wieder mit neuen, aufregenden Motiven zu überraschen . Zudem setzte Kern kreative Doppelbelichtungen ein, bei denen die beeindruckenden Landschaften des Rheintals und des Drachenfels mit anderen Bildern kombiniert wurden. Diese künstlerischen Elemente machten die Fotos einzigartig und trugen wesentlich zum Erfolg dieser Schnellfotografie bei.

Doch die Verbreitung von Kleinbildkameras in den 1980er Jahren führte zu einem drastischen Rückgang der Nachfrage nach professionellen Fotografien. Die Touristen waren zunehmend in der Lage, ihre eigenen Fotos zu machen, was das Geschäftsmodell der Schnellfotografie obsolet machte. 1989 zog sich Richard Kern als letzter Vertreter dieser Kunstform zurück, und die Ära der Schnellfotografie am Drachenfels ging zu Ende.


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Die Bedeutung für die Kultur und Gesellschaft
Die Schnellfotografie am Drachenfels war mehr als nur ein kommerzielles Geschäft. Sie war ein Spiegelbild der Freizeitgestaltung und populären Kultur  jener Zeit. Besonders während des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Tourismus einen enormen Aufschwung, und die Fotobuden florierten. Die Besucher, die in den 1950er bis 1970er Jahren den Drachenfels besuchten, wollten sich von den Fotografen in humorvollen und oft übertriebenen Szenen ablichten lassen. Die Fotografie bot ihnen die Möglichkeit, sich in einer kreativen, oft übertriebenen Weise darzustellen, die den Zeitgeist und die gesellschaftlichen Normen jener Ära widerspiegelte.


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Das Erbe der Schnellfotografie
Heute sind diese Fotografien mehr als nur nostalgische Schnappschüsse. Sie sind wertvolle Zeugnisse vergangener Epochen und dokumentieren die Veränderungen in Mode, Haltung und Mimik der abgebildeten Menschen. Die Fotos geben einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts: vom formellen Stil der Kaiserzeit über die individuelle Freiheit der Weimarer Republik bis hin zur Selbstinszenierung in der NS-Zeit und den hoffnungsvollen Momenten der Nachkriegsjahre und zeigen, wie sich der Tourismus und die Freizeitgestaltung über die Jahrzehnten entwickelten. Ihre Bedeutung als historische Dokumente sollte nicht unterschätzt werden, denn sie bieten einen einzigartigen Blick auf die Kultur- und Sozialgeschichte des vergangenen Jahrhunderts.


Quellen:
    •    Virtuelles Brückenhofmuseum Königswinter: Drachenfels: Schnellfotografie – virtuellesbrueckenhofmuseum.de
    •    Kölner Stadt-Anzeiger / Rundschau Online (diverse Artikel 2015–2024)
    •    Siebengebirgsmuseum Königswinter: Ausstellung zur Schnellfotografie
 

  

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Text: Reinhard Krause
    Bilder: Sammlung Reinhard Krause